Was ist Einsamkeit?
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Auf Deutsch sagt man: «Ich bin einsam.» Die französische Sprache trifft es besser: «Je me sens seul», ich fühle mich einsam.
Denn Einsamkeit ist ein Gefühl, kein objektiv messbarer Zustand. Doch woher kommt dieses Gefühl, und warum ist Einsamkeit zur gesellschaftlichen Frage geworden?

Bildlegende:
Entwicklung der Einsamkeit über die Lebenszeit –
Abweichung vom Durchschnitt aller Befragten
(nachgezeichnet nach Luhmann und Hawkley, 2016)
Das Gefühl von Einsamkeit entsteht, wenn die eigenen sozialen Beziehungen nicht den persönlichen Wünschen entsprechen und als unzureichend empfunden werden. Ungenügend kann die Qualität der Beziehungen sein (zum Beispiel fehlende Intimität oder Vertrauensbeziehungen) oder auch die Quantität (zum Beispiel zu wenige regelmässige Kontakte). Manche Menschen fühlen sich ausserdem einsam, weil es ihnen an Zugehörigkeit zu einer grösseren Gemeinschaft oder zur Gesellschaft fehlt.
Man muss sich nicht einsam fühlen, weil man allein ist – und man kann sich auch in einer grossen Menschengruppe einsam fühlen. Einsamkeit ist normal, auch wenn sie als unangenehm und belastend empfunden wird. Sie ist ein Alarmsignal wie Hunger oder Durst, nur eben für soziale Beziehungen.
Andauernde Einsamkeit jedoch ist mit einem erhöhten Risiko für körperliche und psychische Krankheiten verbunden. Menschen, die Einsamkeit dauerhaft und intensiv erleben, sterben früher, das haben Studien gezeigt. Besonders deutlich ist der Zusammenhang von Einsamkeit mit Herz-Kreislauf-Krankheiten wie Herzinfarkt oder Hirnschlag. Auch mit der Entstehung einer Demenz scheinen Verbindungen zu bestehen. Forscherinnen und Forscher vermuten, dass chronische Einsamkeit einen dauernden Stress auf Körper und Geist ausübt.
Einsamkeit schadet nicht nur dem Wohlbefinden und der Gesundheit, sie ist auch so weit verbreitet, dass sie zu einer Herausforderung für unsere Gesellschaft geworden ist. Mit dem Programm «connect! – gemeinsam weniger einsam» setzt sich der Verein «connect!» zusammen mit einem Netzwerk von Institutionen und Organisationen dafür ein, Einsamkeit in der Schweiz vorzubeugen und zu vermindern.
Zurzeit liegt der Schwerpunkt von «connect!» auf Einsamkeit im Alter. Denn im hohen Alter liegt der Anteil einsamer Menschen besonders weit über dem Durchschnitt (die Abbildung zeigt es). Dies liegt nicht am Altern an sich, sondern an den Lebensereignissen, die mit dem Alter zunehmen: Verlust von Partnern, Verwandten und Freundeskreis, schwere Krankheiten.
Einsamkeit ist ein grosses Tabu für viele Menschen. Reden wir darüber! Mehr zur Einsamkeit und «connect!» folgt in den nächsten Wochen.
Thomas Pfluger, Co-Programmleiter Verein «connect!», public-health-services
«gemeinsam weniger einsam» – weitere Informationen: www.ch-connect.ch.