Wie werden wir morgen wohnen?
Thema: News, Wohnen im Alter & Mobilität
Im Jahr 2040 wird eine von vier Personen in der Schweiz älter als 65 Jahre und fast 10% der Bevölkerung älter als 80 Jahre sein, ein Anteil, der fast doppelt so hoch ist wie heute.
Darüber hinaus könnte die Schweizer Bevölkerung bis 2040 auf 10 Millionen Menschen anwachsen, was Auswirkungen auf die Siedlungs- und Raumplanung haben wird. Aus diesem Grund hat der Bund im Rahmen des Themas “Demographischer Wandel: Wohn- und Lebensraum für morgen gestalten” sechs innovative Projekte unterstützt. Alle haben das Ziel, Lösungen zu finden, um die Wohn- und Lebensbedingungen von Senioren in Gemeinden zu verbessern, die von der demografischen Alterung besonders betroffen sind. Sie tragen zudem dazu bei, die in diesem Bereich festgelegten Ziele der nachhaltigen Entwicklung zu erreichen.
Die Arbeitsgruppe Wohnen und Mobilität der VASOS hat diese Modellprojekte in Lausanne, Genf, Basel und Hasliberg sowie in den Kantonen Tessin und Graubünden geprüft. Wir stellen Ihnen die Projekte nachfolgend vor:
Pro Senectute Waadt und die Stadt Lausanne sind dabei, im Quartier Sous-Gare, Wohnungen für Senioren zu schaffen, indem sie einerseits ein veraltetes Gebäude abreissen und neu errichten und andererseits bestehende Wohnungen umgestalten. Regelmässige Besuche der SozialarbeiterInnen bei bestimmten Bewohnern und Bewohnerinnen wurden durchgeführt, um sich nach dem Bedarf an Unterstützung zu erkundigen. Pro Senectute organisierte Treffen und Gruppen für Spaziergänge mit dem Ziel, ein generationenübergreifendes Beziehungsnetz für die Nachbarschaftshilfe aufzubauen. Ein Teil des Modellprojekts wurde erfolgreich auf die Gemeinde Gland übertragen. Darüber hinaus hat die Stadt Lausanne mit der Société Immobilière Lausannoise pour le logement ein Projekt zum Austausch von Wohnungen entwickelt, das sich an die ältere Bevölkerung und an Familien richtet.
Sollte man nicht Wohnungen für vier Generationen planen, anstatt wie derzeit für zwei oder drei? Der Verein Association pour l’habitat à quatre générations du canton de Genève plant den Bau einer Immobilie mit modularen Elementen: Dank einer flexiblen Gestaltung des Wohnraums können einfache Anpassungen an das Alter vorgenommen werden. Der Verein sucht ein Grundstück, um den Prototyp des generationenübergreifenden Wohnens verwirklichen zu können, den er mit einem interdisziplinären und partizipativen Ansatz entwickelt hat.
Das Quartier “Westfeld”, auf einem ehemaligen Basler Spitalareal, genossenschaftliches Wohnen mit sozialer Durchmischung, umfasst 530 Wohnungen für 1’200 Personen in verschiedenen Lebensphasen und -situationen mit Begegnungsräumen für alle Generationen. Neben den klassischen Wohnformen ist die Genossenschaft mit Clusterwohnungen für ältere Menschen innovativ, d.h. mit dem Angebot von kleinen Wohnungen, die durch Gemeinschaftsräume zusammengehalten werden. Anfang 2023 sind die ersten Mieter eingezogen, Gastronomiebetriebe und Geschäfte haben eröffnet, Aktivitäten und Angebote sind im Gange. Die vollständige Fertigstellung von „Westfeld“ ist für Anfang 2027 mit der zweiten Bauetappe geplant.
Im Dorfzentrum der Berggemeinde Hasliberg (BE) ist der Bau von zwei generationenübergreifenden Häusern (aus lokalem Holz gebaut) durch eine Wohngenossenschaft geplant, die kleine, barrierefreie Wohnungen zu erschwinglichen Preisen und Gemeinschaftsräume anbieten. Ein lokales “Unterstützungsnetzwerk” zur Vernetzung von Dienstleistungen wie häusliche Pflege, Nachbarschaftshilfe und Freiwilligenarbeit, ist ebenfalls geplant. Die Wohnbaugenossenschaft leitet nun die notwendigen rechtlichen Schritte für den Bau ein.
Konfrontiert mit dem Wegzug junger Menschen und dem Mangel an Wohnraum für ältere Menschen haben 17 Gemeinden in den Regionen Albula und Prättigau/Davos Wohnstrategien entwickelt, die den Zuzug der Generation 55+ fördern, die Wohndauer an Ort der über 65-Jährigen verlängern und der Generation 80+ den Umzug an besser erschlossene Orte ermöglichen. Dank dieses Vorgehens wurden unter anderem die Bedürfnisse der Generation 70+, sowie die konkreten Auswirkungen des Raumplanungsgesetzes und des Zweitwohnungsgesetzes auf kleine Berggemeinden aufgezeigt.
An verschiedenen Standorten im Tessin stellte eine Pensionskasse das Wohnen im Alter in den Mittelpunkt ihrer Immobilienent-wicklungsstrategie. Das Projektteam hat die Bedürfnisse der Bevölkerung in Bezug auf Wohnen und Mobilität und grundlegende Dienstleistungen ermittelt. Ausserdem wurden konkrete Massnahmen zur Förderung der Lebensqualität, des Zusammenlebens zwischen den Generationen und bedarfsgerechten Wohnens im städtischen Umfeld festgelegt. Dank der aus diesem Prozess gewonnenen Erkenntnisse verfügt die Pensionskasse nun über eine Grundlage, um sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltig in Immobilien zu investieren. Das Tessiner Projekt hat das Bewusstsein für die wichtige Rolle der Pensionskassen als bedeutende Immobilienbesitzer geschärft.
Schlussfolgerung
Dank seiner Evaluation hat der Bund die folgenden wichtigen Erkenntnisse gewonnen:
Wie im Bericht des Bundesamtes für Raumentwicklung erwähnt, sind barrierefreier Wohnraum, Zugang zu Dienstleistungen und eine gute ÖV-Erschliessung ebenso wichtig wie eine Architektur, die Beziehungen und Begegnungen ermöglicht und fördert. Die Nachbarschaft, intergenerationelle Sorgenetzwerke und Besuche durch SozialbetreuerInnen spielen eine zentrale Rolle für den sozialen Austausch und allfällige Hilfe im Alltag.
Es wurde ein breites Spektrum an Wohnformen getestet, das von generationsübergreifendem Wohnen über die Gestaltung flexibler Wohnräume bis hin zu –Wohngemeinschaften für ältere Menschen, oder betreuten Wohnungen mit verschiedenen Dienstleistungen reichte.
Die Eigentümer, seien es Pensionskassen oder private Eigentümer, müssen sensibilisiert werden. Die wichtigsten Schlüsselakteure sollten frühzeitig einbezogen werden. Der Erfolg solcher Projekte hängt nämlich von einer interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Behörden, Fachleuten, der Zivilgesellschaft und dem Einbezug von älteren Menschen selbst über partizipative Ansätze ab. Geeignete Angebote die Senioren dazu bewegen, aus einer für ihre Bedürfnisse überdimensioniert gewordenen Wohnung auszuziehen, haben insgesamt positive Auswirkungen auf den Wohnflächenverbrauch und die Umwelt.
Herausforderungen bestehen: Begrenzte Ressourcen, zu ehrgeizige Ziele, komplexe Prozesse, hohe Anforderungen sowie das Spannungsfeld zwischen ökologischer Nachhaltigkeit und Bezahlbarkeit. Die ökologischen Herausforderungen (Energie, Flächen, Materialien) müssen in der Tat mit der Bezahlbarkeit von Wohnraum in Einklang gebracht werden. Schliesslich scheinen ehrenamtliche Arbeit und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit wesentlich zu sein, um die Initiativen dauerhaft zu sichern. Der Erfolg solcher Projekte hängt auch von einer engen Zusammenarbeit zwischen den Akteuren, einer guten Sichtbarkeit und einem realistischen Management der Ressourcen und Erwartungen ab.
Eliane Rey, Delegierte der UREV bei der VASOS, Mitglied der Arbeitsgruppe Wohnen und Mobilität der VASOS, Delegierte im Schweizerischen Seniorenrat, e. Stadträtin von Lausanne