Das Alter darf kein Nachteil sein
Thema: News, Sozialpolitik
VASOS, Dachorganisation der Senior:innenverbände, lanciert zum Jubiläum eine Petition gegen Altersdiskriminierung.

Am Freitag, 17. Oktober 2025, fand im Parterre Rialto, Basel, der Jubiläumsanlass 35 Jahre VASOS statt. VASOS ist die «Vereinigung aktiver Senior:innen- und Selbsthilfeorganisationen der Schweiz». Sie umfasst 30 nationale, kantonale und regionale Organisationen mit insgesamt mehr als 130’000 Mitgliedern.
Nationaler Aktionsplan gefordert
Doch der Dachverband feierte nicht nur – er lancierte auch eine Petition, in der ein rechtlicher Schutz vor Altersdiskriminierung verlangt wird.
Konkret stellt VASOS folgende Forderungen:
- Einen nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung der Altersdiskriminierung mit verbindlichen Zielen und Zuständigkeiten.
- Spezifische gesetzliche Grundlagen und Massnahmen zum Schutz vor Altersdiskriminierung – sowohl im Verhältnis zwischen Staat und Bürger:innen als auch im privaten Rechtsverkehr. Der Schutz vor Mehrfachdiskriminierung ist zu gewährleisten. Besondere Beachtung gilt asymmetrischen Machtverhältnissen, z.B. bei Wohnen, Pflege, Gesundheitsversorgung und Arbeit.
- Eine zentrale Fachstelle auf Bundesebene, die sich gezielt mit Altersfragen befasst, über die notwendigen Fachkompetenzen verfügt und Bund sowie Kantone bei der Förderung einer diskriminierungsfreien Gesellschaft beratend unterstützt. Die Initiantinnen und Initianten können sich dabei auf die Schweizer Bundesverfassung berufen. Diese verbietet in Artikel 8, Absatz 2 die Diskriminierung aufgrund von Herkunft, Lebensform, Geschlecht, Behinderung, Religion, weltanschaulicher oder politischer Überzeugung, «Rasse» und auch aufgrund von Alter.
Diskriminierung ist Alltag
«Altersdiskriminierung ist leider Alltag – auf dem Arbeitsmarkt, beim Arztbesuch, in der digitalen Welt, in Institutionen und auch in der Politik», sagte am Basler Jubiläumsanlass Bea Heim, ehemalige SP-Nationalrätin und Präsidentin der VASOS. Als Beispiel dafür nannte Heim die zögerliche Behandlung des Problems Gewalt gegenüber älteren Menschen. Nach Schätzungen sind jährlich zwischen 300’000 und 500’000 Menschen über 60 Opfer von Gewalt und Vernachlässigung, Massnahmen dagegen hat der Bund noch immer nicht ergriffen.
Diskriminierend sei aber auch die Sprache in Medien und Politik, wenn es ums Alter gehe. Von «grauem Tsunami» sei die Rede, von «demografischer Last», meist aber von «Überalterung». Besonders erzürnte Heim der kürzliche Vorschlag einer jungen Politologin, Bürgerinnen und Bürgern ab einem bestimmten Alter das Stimmrecht abzuerkennen, um so die «Dominanz» gegenüber Jüngeren auszugleichen.
Christian Maggiori, Professor an der Uni Freiburg,
dokumentierte aufgrund von Studien, dass in Europa 34% der Personen ab 65 Jahren angeben, Diskriminierung aufgrund des Alters zu erfahren. Dies, sofern man sie allgemein auf Benachteiligung anspricht. Nennt man den Betagten bestimmte Situationen, in denen Diskriminierung auftritt, geben sogar 80% entsprechende Erfahrungen an.
Maggiori gewichtet den «Ageismus» ebenso hoch oder höher als Sexismus und Rassismus. Nur sei die Sensibilität der Gesellschaft dafür bisher wesentlich geringer. Auch die Betroffenen täten entsprechende Erlebnisse zu häufig als harmlos ab. Man könne von «Selbst-Diskriminierung» sprechen. Die Folgen seien Einbussen in Gesundheit und Wohlbefinden, aber auch in sozialer Teilhabe und Wahrnehmung.
Für Jüngere gelte es, «zu verstehen, wann wir altersdiskriminierend handeln, anstatt nach Beweisen zu suchen, dass wir es nicht tun.
Wege zu neuem Selbstbewusstsein
Die Tagung sollte aber nicht im Zeichen der Defizite stehen. «Das Alter neu denken» lautete der programmatische Titel.
Professor François Höpflinger, Alters- und Generationenforscher, skizzierte «Perspektiven einer modernen Alterspolitik». Deren Pfeiler sind:
- Wirtschaftliche Sicherheit, auch im Alter, namentlich durch ein ausgebautes Rentensystem.
- Gute gesundheitliche Versorgung und verbesserte Gesundheitsförderung.
- Integration durch soziale Netzwerke, Unterstützung und stimulierende Aktivitäten.
Und, seitens der Betroffenen, «Selbstverantwortlich gesundes Verhalten (Ernährung, Bewegung, Gedächtnistraining)».
Das Verhältnis von Jung und Alt sollte gemäss Höpflinger von einer «Intimität auf Abstand» getragen sein. Eine zu grosse Nähe könne, wie verschiedene Beispiele zeigten, Generationenprojekte zum Scheitern bringen.Es brauche, schloss Höpflinger, nicht eine Alters-, sondern eine Generationenpolitik.
Angeline Fankhauser: «Beherzt voran»
Ein weiterer Höhepunkt des Tages war die Vorstellung der neuen Biografie von Angeline Fankhauser. In den Jahren 2000 bis 2009 war die langjährige SP-Nationalrätin Präsidentin und Co-Präsidentin der inzwischen 35-jährigen VASOS. Sie gehörte ausserdem zu den treibenden Kräften bei der Gründung des Schweizerischen Seniorenrates SSR – Beratungsgremium des Bundesrates – und war 2001 bis 2005 dessen Co-Präsidentin.
Aus einfachsten Verhältnissen stammend, war die 1936 in La Rippe VD geborene Politikerin ihr Leben lang eine Vorkämpferin für Frauenrechte, soziale Gerechtigkeit, Schutz und Respekt für Geflüchtete und andere Benachteiligte.
«Beherzt voran!» war und ist ihr Wahlspruch, oder in ihrer Muttersprache «Allons-y de bon coeur!»
Im Gespräch mit Marc Joset, Autor der Biografie, sagte sie: «Wir sind einen weiten Weg gegangen, aber wir sind noch lange nicht am Ziel mit der Gerechtigkeit.» Und auf ihre Gefühle angesichts des druckfrischen Buches angesprochen: «Ich schaue nicht mehr viel nach vorne und noch weniger nach hinten. Ich freue mich jeden Tag, dass ich lebe.»
Heinz Weber – Graue Panther Nordwestschweiz
Marc Joset: «Beherzt voran! Angeline Fankhauser – Porträt einer Politikerin»; Verlag ETuM, Arlesheim, 2025, 88 Seiten mit vielen Illustrationen, CHF 20.–
Bestellungen an den Autor: info@marcjoset.ch